Lesen gegen das Vergessen (10.05.2023)

Gelesen gegen das Vergessen
von Wolfgang Hörmann

 

In Wusterhausen wurde am 10. Mai an die Bücherverbrennung vor 90 Jahren erinnert.
Wusterhausen. Ein "Lesen gegen das Vergessen" vereinte am späten Nachmittag des 10. Mai Einwohner der Stadt und aus Ortsteilen der Gemeinde an der Treppe zum Wusterhausener Rathaus. Am 90. Jahrestag der Bücherverbrennung im faschistischen Deutschland wurde hier an diesen beispiellosen Akt der Barbarei erinnert.  Dabei waren alle Altersgruppen vertreten. Pfarrer  Alexander Bothe zitierte eingangs Heinrich Heine, der bereits 1823 schlussfolgerte: "Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen."
Die Erinnerung an die dunklen Tage der Geschichte wach zu halten, hatte sich wie schon in vergangenen Jahren  ein Team um die Bibliothekarinnen Marianne Golde und Kerstin Jonas vorgenommen. Unterstützt wurden sie von Gemeindevertretern,  der Kirche und der Verwaltung. Zwischen klassischen Musikstücken, dargeboten von Isabell und Nicolas Klonower, kamen Ausschnitte aus Büchern zu Gehör, die 1933 als "schädliches, unerwünschtes Schriftentum" verunglimpft und verboten wurden. Autorinnen und Autoren wie Heinrich Mann, Friedrich-Wilhelm Förster, Anna Seghers, Sigmund Freud, Theodor Wolff, Carl von Ossietzky und Kurt Tucholksky waren da schon der Verfolgung ausgesetzt, eingekerkert oder vielfach gezwungen, ihr Heimatland zu verlassen. Dass ihre Werke am 10. Mai 1933 in Berlin und mehr als einem Dutzend weiteren deutschen Städten nach "Feuersprüchen" in Flammen  geworfen wurden, erfuhren die Schriftsteller somit oft in der Emigration.
Einer aber blieb unerkannter Zeuge der Verbrennung seiner Werke. Es war Erich Kästner. Auch ihn hatte das Schreibverbot ereilt. Er umging es, indem er unter Pseudonymen wie Berthold Bürger, Melchior Kurtz und Robert Neuner weiter schrieb. Mit Emilian und Vitus Golde holten sich am Mittwochnachmittag zwei Jungen als Vorleser aus Kästners "Als ich ein kleiner Junge war" den Beifall der Zuhörer auf dem Marktplatz ab. Man konnte sich die Brüder gut auch als Pfiffikusse in Kästners Bestzeller "Emil und die Detektive" vorstellen. Bibliothekleiterin Kerstin Jonas hatte sich mit einer kurzen Passage aus "Ein Auto fährt übers Land" ebenfalls dafür entschieden, Kästner auf ihre Art zu ehren.
Es war die einzige Doppellung an diesem Nachmittag mit Ausflügen in die Literatur, die über anderthalb Stunden ein abwechslungsreiches Programm ergaben. Dazu trugen auch Luisa und Leonhard Timm (Joachim Ringelnatz, Biografie und Gedichte) bei, außerdem Roman Blank mit Karl-Marx-Zitaten, Renè Ide mit neun Feuersprüchen aus der Nacht der Bücherverbrennung sowie Petra Buschke, die aus Niederschriften von Albert Einstein vorlas. Victoria und Marianne Golde lasen Gedichte von Else Lasker-Schüler vor, Susann Schöning, Gereimtes von Mascha Kalèko. Ariane Garn gab sich als Tucholsky-Fan zu erkennen. Um die Schrecken unmenschlicher Kriege ging es im Beitrag von Wolfgang Hörmann. Dabei wurde deutlich: "Im Westen nichts Neues", einer der bekanntesten Weltkriegsromane, 1928 von Erich Maria Remarque geschrieben, hat von seiner Aktualität bis heute nichts eingebüßt.


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